Illusion

Illusion ist die Art und Weise, Wahrheit mit unzulänglichem Verstehen und materiellem Wissen so auszulegen, daß diese hinter einer Wolke von Gedankenformen verschleiert und versteckt wird. Diese Gedankenformen erscheinen dann wirklicher als die Wahrheit, die sie verschleiern; folglich beeinträchtigen sie den Menschen im Streben nach der Wirklichkeit. Vermittels der Illusion erkennt er den Denkapparat und dessen Tätigkeit, die im Erbauen von Gedankenformen besteht sowie das, was ihm zu erbauen gelingt und was er als die Schöpfung seines Intellektes betrachtet.

Er hat jedoch eine Schranke zwischen sich und dem, was ist aufgerichtet; und solange er nicht die Hilfsquellen seines Intellektes erschöpft hat oder sich mit Vorbedacht weigert, sie zu benutzen,kann seine göttliche Intuition nicht wirksam werden. Die Intuition ist es, die das wahre Sein enthüllt und einen Zustand geistiger Wahrnehmung herbeiführt.

Verblendung

Verblendung verschleiert und verbirgt die Wahrheit hinter den Nebelschwaden von Gefühlen und emotionellen Reaktionen; sie ist von einzigartiger und ungeheurer Wirkungskraft, wegen der starken Neigung der menschlichen Natur, sich mit der Astralnatur zu identifizieren und wegen der Lebenskraft der darauf reagierenden, bewußten und gefühlsmäßigen Empfänglichkeit selbst.

Wie der Leser aufgrund früherer Anweisungen weiß, kann Verblendung nur durch den Einstrom von klarem, gezieltem Licht zerstreut werden; das gilt sowohl für das Leben des Einzelnen als auch für das der Gesamt-Menschheit. Erleuchtung enthüllt vor allem das Vorhandensein von Verblendung; sie erhellt die qualvollen Kontraste, mit denen alle wahren Aspiranten zu kämpfen haben und dann überstrahlt sie allmählich das Leben in so hohem Maß, daß alle Verblendung am Ende vollends verschwindet. Der Mensch sieht dann die Dinge, wie sie wirklich sind – er sieht die Fassade, die das Gute, das Schöne und das Wahre überdeckt. Die Gegensätze werden dann aufgelöst und Bewußtsein wird durch einen Zustand klaren Erkennens verdrängt – durch ein Gewahrsein reinen Seins, für das wir keine angemessene Bezeichnung haben.

Maya

Wenn ein Mensch unter der Kontrolle physischer, astraler und mentaler Kräfte steht, dann ist er zu der Zeit davon überzeugt, daß das für ihn die richtigen Kräfte sind. Darin besteht das Problem der Maya. Wenn jedoch solche Kräfte einen Menschen beherrschen, dann veranlassen sie ihn zu einer separatistischen Einstellung; sie bewirken einen Zustand, der die Persönlichkeit nährt und stimuliert, aber die Seelenenergie, die wahre Individualität, nicht in die Erscheinung bringt.

Wenn Männer und Frauen ihr Leben vom Standpunkt des wahren inneren oder geistigen Menschen aus sorgfältig überprüfen und dabei feststellen würden, welche Zusammensetzung von Energien ihr Tun und Treiben bedingt, dann würden sie nicht so blind, so unzulänglich und so fruchtlos weiterleben, wie sie es jetzt tun.Aus diesem Grund ist die Untersuchung und das Verstehen der Motive so wertvoll und wichtig, denn dadurch stellt man fest (falls die Untersuchung genau und richtig ist), welcher Faktor oder welche Faktoren das tägliche Leben inspirieren. Dieser Hinweis verdient sorgfältigste Beachtung. Ich möchte euch fragen: Welches ist das Hauptmotiv eures Handelns? Denn, was es auch sei, es bedingt und bestimmt eure vorherrschende Lebenstendenz.

Viele Menschen, besonders die unintelligenten Massen, lassen sich einzig und allein durch ihr – materielles, physisches und zeitweiliges – Wünschen inspirieren. Sinnliche Wünsche nach Befriedigung animalischer Gelüste, materielle Wünsche nach Besitz und Wohlleben, die Sehnsucht nach „greifbaren Dingen“, nach Behaglichkeit und – (wirtschaftlicher, sozialer und religiöser) Sicherheit – das bestimmt und beherrscht die meisten. Der Mensch steht unter dem Einfluß der dichtesten Form von Maya, und die Kräfte seiner Natur sind im Sakralzentrum konzentriert. Andere lassen sich maßgeblich von ihrer Sehnsucht oder ihrem Ehrgeiz leiten, von Sehnsucht nach irgend einem materiellen Himmel (und die meisten Religionsanhänger stellen sich den Himmel in dieser Weise vor), von ehrgeizigem Machthunger, vom Wunsch nachBefriedigung ihrer emotionalen und ätherischen Gelüste und nach Besitz von subtileren Realitäten, von ihrer Sehnsucht nach emotionalem Wohlbehagen und mentaler Stabilität sowie von der Gewißheit, daß die höheren Wünsche Erfüllung finden werden. All dies ist Maya in ihrer emotionalen Gestalt und nicht etwa das Gleiche wie Verblendung. Im Fall von Verblendung sitzen die Kräfte der menschlichen Natur im Sonnengeflecht (plexus solaris). Im Fall von Maya befinden sie sich im Sakralzentrum. Verblendung ist subtil und gefühlsbedingt. Maya ist greifbar und ätherisch.

Was ist nun eigentlich Maya? Sie zu definieren ist nicht leicht, weil sie mit der formschaffenden Aktivität des Planetarischen Logos selbst zusammenhängt. Immerhin dürfte eine Betrachtung der Analogie zwischen dem Mikrokosmos und dem Makrokosmos ein wenig helfen. Die Seele schafft sich ein dreifaches Ausdrucksmittel in den drei Welten des menschlichen Daseins. Die äußere Form, der physische Doppelkörper (dicht und vital oder ätherisch) wird von gewissen Energien und Kräften produziert, geschaffen, durchkraftet, angetrieben und bedingt, die von jenen Ebenen herrühren, auf denen die Seele – mit Recht oder Unrecht – eine Identitätsempfindung zuwege gebracht hat.

Diese Kräfte machen den Menschen zu dem, was er ist; sie geben ihm sein Temperament, seinen Beruf und seine Qualität auf der physischen Ebene; sie machen ihn negativ oder positiv gegenüber den verschiedenartigen Energien, die auf ihn einstürmen; sie geben ihm seinen Charakter und machen ihn zu dem, was er anderen zu sein scheint; sie bewirken seine Färbung, seine Fähigkeiten und seine Persönlichkeit. Mit alledem identifiziert sich der Durchschnittsmensch; er hält sich für die Form, vermittels der er seine Wünsche und seine Ideen auszudrücken sucht.

Diese völlige Identifizierung mit der vergänglichen Schöpfung und mit der äußeren Erscheinung ist Maya. Man darf nicht vergessen, daß individuelle Maya ein Bruchteil der Welt von Energien und Kräften ist, die den Lebensausdruck des planetarischen Logos ausmachen, die unser äußeres, planetarisches Leben bedingen und unseren Planeten zu dem machen, was er anderen Planeten zu sein scheint.

Der Unterschied zwischen dem Menschen (dem Mikrokosmos) und dem planetarischen Logos, dem Herrn der Welt (dem Makrokosmos), liegt in der Tatsache, daß der Herr der Welt keinerlei Anteil hat an der Maya, die Er erschuf und die den Zweck hat, am Ende die Freilassung der „Gefangenen des Planeten“ zuwege zu bringen. Dieser Maya steht Er höchst gleichgültig gegenüber und eben diese göttliche Indifferenz hat zur großen, theologischen Illusion einer anthropomorphischen Gottheit und (im Osten) zu dem Glauben geführt, daß unser Planet lediglich die Staffage oder das Spielzeug der Götter ist. Diese kosmische Indifferenz ist es auch, die zur menschlichen Verblendung bezüglich des „unerforschlichen Willens Gottes“ und zur Behauptung geführt hat, daß Gott weit entfernt sei und nicht immanent in jeder Kreatur und in jedem Atom, aus dem Kreaturen erschaffen werden. Dies sind einige Aspekte der Verblendungen und Illusionen, die zerstreut und verscheucht werden müssen. Dabei wird man die Entdeckung machen, daß die Form nur Maya ist und außer acht gelassen werden kann, daß Kräfte durch Energie organisiert und gelenkt werden können und daß die Welt der Gedanken, der Bereich gefühlsmäßigen Bewußtseins sowie der physische Spielplatz der Energien etwas ganz anderes sind, als der große Denker, der Eine, der empfindet oder als der Schauspieler oder Darsteller der vielen Rollen, die zu spielen die Seele unternimmt.

Immer wieder und wieder haben seit altersher die Meister ihren Jüngern gesagt, daß der Okkultist in der Welt der Kräfte wirkt. Alle Menschenwesen leben, regen und manifestieren sich innerhalb und vermittels jener gleichen Welt von ewig fließenden, ewig anstürmenden, ein- und ausströmenden Energien. Der Okkultist jedoch arbeitet dort; er wird zum bewußten Lenker; er erschafft auf der physischen Ebene das, was er wünscht; und was er wünscht ist das Urbild der Dinge und die Verwirklichung des Plans, der auf dem Reißbrett des göttlichen Bewußtseins vom großen, göttlichen Baumeister entworfen wurde. Trotzdem identifiziert er sich weder mit dem Urbild noch mit den Kräften, die er benutzt. Frei von Illusion, nicht behindert durch Verblendung und nicht beherrscht von den Mayakräften bewegt er sich in der Welt der Maya. Er nähert sich rasch in seiner eigenen kleinen Welt derselben „göttlichen Indifferenz“, die für Sanat Kumara, den Herrn der Welt, bezeichnend ist; deshalb erkennt er in steigendem Maß den Plan, wie er im Universellen Denken besteht sowie den Zweck, der dem Willen Gottes Antrieb verleiht.

Quelle: Alice A. Bailey/ Djwhal Khul in „Verblendung: ein Weltproblem“

Die Notwendigkeit der Indifferenz

Der Jünger lernt schließlich (während er inkarniert ist), vor allem sich selbst als Lenker von Kräften zu erkennen: er lenkt sie von der Höhe des göttlichen Beobachters aus, in dem Maß wie er sich zur Loslösung durchringt. Wenn er die volle Bedeutung des Losgelöstseins begreift und gelassen als beobachtender Lenker dasteht, dann gibt es keine Kräftevergeudung mehr, keine irrigen Schritte und keine falschen Deutungen, kein Abwandern auf die Seitenpfade des Alltagslebens, kein verzerrtes und voreingenommenes Bild von den Mitmenschen und vor allem kein Kräftemißbrauch mehr.

Immer wieder und wieder haben seit altersher die Meister ihren Jüngern gesagt, daß der Okkultist in der Welt der Kräfte wirkt. Alle Menschenwesen leben, regen und manifestieren sich innerhalb und vermittels jener gleichen Welt von ewig fließenden, ewig anstürmenden, ein- und ausströmenden Energien. Der Okkultist jedoch arbeitet dort; er wird zum bewußten Lenker; er erschafft auf der physischen Ebene das, was er wünscht; und was er wünscht ist das Urbild der Dinge und die Verwirklichung des Plans, der auf dem Reißbrett des göttlichen Bewußtseins vom großen, göttlichen Baumeister entworfen wurde. Trotzdem identifiziert er sich weder mit dem Urbild noch mit den Kräften, die er benutzt. Frei von Illusion, nicht behindert durch Verblendung und nicht beherrscht von den Mayakräften bewegt er sich in der Welt der Maya. Er nähert sich rasch in seiner eigenen kleinen Welt derselben „göttlichen Indifferenz“, die für Sanat Kumara, den Herrn der Welt, bezeichnend ist; deshalb erkennt er in steigendem Maß den Plan, wie er im Universellen Denken besteht sowie den Zweck, der dem Willen Gottes Antrieb verleiht.

Quelle: Alice A. Bailey/ Djwhal Khul in „Verblendung: ein Weltproblem“